Saarbrücken. Die letzten zwei Jahre gab es bei der Heiligabend-Aktion im Saarbrücker E-Werk Corona-bedingt nur die großen Geschenktaschen. Maskenpflicht und Abstandsregeln mussten eingehalten werden und es gab keine Gespräche.
Dieses Jahr war eine besondere Stimmung zu spüren. Die große Halle, die zwei Bühnen und Tische waren weihnachtlich dekoriert. Die Menschen fühlten sich wohl. Sie konnten wieder mit ihrer Familie, mit Freunden und Bekannten zusammen sitzen und sich unterhalten.
Wer hätte 1969 gedacht, dass die Heiligabend-Aktion, initiiert von der katholischen- und evangelischen Jugendkirche, so ein Erfolg werden würde. Vor 53 Jahren begann man mit 30 Obdachlosen und dieses Jahr waren es fast 900 Bedürftige, Kinder und vor allem Einsame.
Mit zunehmenden Teilnehmerzahlen suchte man in Saarbrücken nach größeren Hallen. In Erinnerung sind noch bei den langjährigen Helfern das Gustav-Adolf-Haus, das Evangelische Gemeindezentrum St. Johanner Markt, einmal sogar ein Zelt am Ende der Ursulinenstraße und alle im Stadtteil St. Johann. Nach Schließung der Burbacher Hütte blieb die denkmalgeschützte Industriehalle, heute das E-Werk, erhalten und wurde die Halle der Heiligabend-Aktion.
Natürlich hat sich manches mit der Zeit geändert. Rauchen und Alkohol wurden nicht erlaubt. Am Eingang erhält jeder Besucher ein Einlassbändchen. Eine Securityfirma und eine Erste-Hilfe Notfallmannschaft für Sicherheit.
In der Begrüßung des ehemaligen katholischen Pastoralreferent, Heiner Buchen und dem katholischen Diakon Horst-Peter Rauguth, dankten und freuten sie sich über die ersehnte gemeinsame Weihnachtsfeier. Dass die Gesellschaft sich verändert hat brachte Heiner Buchen treffend zum Ausdruck bei einer christlichen Weihnachtsfeier „Wir freuen uns, dass heute Muslime, Juden, Alewiten, Christen und noch andere Religionen oder ob jemand überhaupt glaubt, heute zusammen gekommen sind, um einige Stunden gemeinsam zu verbringen“.
Saarbrückens Oberbürgermeister, Uwe Conradt, begrüßte die Menschen im Saal und war beeindruckt von der größten Heiligabendfeier für sozial benachteiligte Menschen im Saarland.
Es wurde auch für die über 40 Kinder aus mehreren Ländern wieder ein geschützter Spielraum eingerichtet. Da ging es lebhaft zu. Die ehrenamtlichen Betreuerinnen spielten mit den Kindern, die sich offensichtlich wohl fühlten, vor allem mit dem Spiel „Mensch ärgere Dich nicht“. Es gab kein elektronisches Spielzeug für einzelne Kinder sondern nur Gemeinschaftsspiele.
Die Teelichter auf den Tischen wurden angezündet und von der Bühne bat man um vollständige Ruhe im Saal. Offensichtlich waren die Gäste so überrascht, dass erst nach drei Anläufen tatsächlich kein Wort mehr zu hören war. Die Beleuchtung wurde in den letzten Jahren modernisiert. Nicht mehr die früheren kalten Neonröhren sondern milde farbliche Lichteffekte ließen die Halle in einem wohltuenden Licht erstrahlen. Es war ein überwältigter Augenblick. In dieser ungewöhnlichen und andächtigen Ruhe las Horst-Peter Rauguth die bekannte Weihnachtsgeschichte vor. Auch die vielen ausländischen Menschen mit ihren eigenen Religionen und die sicherlich nicht alles verstanden, waren sichtlich gerührt.
Freiwillige Sänger aus dem Saal durften zum ersten Mal auf die Bühne kommen um mit den Menschen im Saal gemeinsam ein Weihnachtslied zu singen. Das war schon mutig und ergreifend. Dann kam die nächste Überraschung. Nach zaghaften zögern gab es das erste Mal großen Applaus bei einer Heiligabend-Aktion. Vielleicht auch als Dank für die Organisation, Heiner Buchen, Horst-Peter Rauguth, den vielen Ehrenamtlichen Helfern und dass sie heute dieses Weihnachtsfest miteinander verbringen durften.
Minister Reinhold Jost hatte seinen großen Einsatz in der Küche. Dort bereitete er mit der 86-jährigen Christel Persch, die Jahrzehnte die Küchenchefin war, das Essen vor. Er hatte natürlich keine Zeit für ein Gespräch. Die Helfer und Helferinnen warteten in der Schlange vor der Küche um die über 900 Essen im Eilschritt nach Plan auszutragen.
Der Bundestagsabgeordnete Thomas Lutze(Die Linke) gehört schon seit 15 Jahren zu den etwa 100 ehrenamtlichen Helfern. Das Essen austragen ist für ihn zur Selbstverständlichkeit geworden.
Nach einem bewährten System wurde das Essen jedem Gast persönlich an seinen Platz gebracht. Früher gab es noch Fleisch. Um allen Gästen gerecht zu werden, gab es bereits vor Corona Rouladen, Kartoffelklöße und Rotkohl. Für zu Hause erhielten alle Gäste als Bescherung eine vollgepackte Geschenktasche mit unterschiedlichen haltbaren Lebensmitteln, für die sie sich herzlich bedankten. Auch diese Geschenktaschen wurden an die Tische gebracht. Für Katzen und Hunden gab es gespendetes Dosenfutter.
Horst-Peter Rauguth gab bekannt, dass durch die allgemeine Verteuerung anstatt 30 000 Euro an Spenden dieses Jahr 47 000 Euro ausgegeben wurden. Die Inhalte der rund 1000 Geschenktaschen wurden von 20 auf 25 Euro kalkuliert.
Horst Peter Rauguth und Heiner Buchen waren bis dieses Jahr für 14 Heiligabend-Aktionen verantwortlich. Jetzt werden Nachfolger gesucht.
Die Heiligabend-Aktion war 1998 der Ideengeber für die Gründung der Saarbrücker Tafel 1999. Mit 28 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wurde der Anfang gemacht. Heute sind es etwa 120 Ehrenamtliche, die mit eingesammelten, nicht abgelaufenen Lebensmitteln, etwa 4000 bedürftige Menschen unterstützen.
Lothar Ranta