Saarbrücken. Vor einem Jahr hat die saarländische Landesregierung ihr erstes Europa-Leitbild beschlossen – ein strategisches Konzept, das die Zusammenarbeit mit den europäischen Nachbarn stärken und den Wandel im Land europäisch begleiten soll. Jetzt zieht die Landesregierung eine erste Bilanz und stellt klar: Viele Maßnahmen sind bereits angelaufen oder in Planung, neue Schwerpunkte sind definiert.
„Hier in der Grenzregion profitieren die Menschen besonders von Europa und der EU. Das ist Ansporn und Auftrag für uns, Europa noch besser zu machen“, sagt der Europabevollmächtigte der Landesregierung, Staatssekretär David Lindemann. „Im Saarland wohnen, in Frankreich oder Luxemburg einkaufen oder arbeiten oder wohnen: Für uns selbstverständlich. In unserem Europa-Leitbild formulieren wir, wie wir uns unser Europa der Zukunft vorstellen und welche Rolle wir darin spielen wollen. Wir wollen die Europäische Union voranbringen und mitgestalten und die Interessen der Saarländerinnen und Saarländer auf die europäische Agenda bringen.“
Neun Fokus-Punkte im Blick:
Transformation
Die Transformation energieintensiver Industrien erfordert europäische Leitmärkte für Grundstoffe wie Stahl, für die sich das Saarland auf EU-Ebene einsetzt. Gleichzeitig wirbt die Landesregierung für einen gezielten Schutz der Unternehmen vor unfairen Handelspraktiken und Umgehungseffekten. Die Vertretung des Saarlandes bei der EU spielt hierbei eine zentrale Rolle, indem sie als Plattform für alle Stakeholder des Transformationsprozesses dient und ihre Interessen in Brüssel wirksam vertritt. Mit der Transformation der regionalen Stahlindustrie entsteht schrittweise eines der größten Transformations- und Klimaschutzprojekte in ganz Europa. Die Landesregierung setzt sich daher auf nationaler und internationaler Ebene dafür ein, dass Grüner Stahl im Übergang, in dem er noch teurer als konventionelle Produkte ist, wettbewerbsfähig wird. Deshalb setzen wir uns auf nationaler und europäischer Ebene für die Etablierung von Grünen Leitmärkten für Grundstoffe ein, mit einem beschaffungsseitigen Pionierfeld bei der Deutschen Bahn.
Wasserstoff
Ein zentraler Planungsschwerpunkt ist die Rolle des Saarlandes als perspektivischer Knotenpunkt für Wasserstoffströme zwischen Südeuropa und den Energiehäfen der Benelux-Staaten, einschließlich der geplanten Anbindung an das Wasserstoffnetz mosaHYc zwischen Grand Est und dem Saarland. Die Sicherstellung und schnelle Realisierung des Anschlusses des Saarlandes an eine leistungsfähige europäische Wasserstoffinfrastruktur ist von großer Bedeutung. Dies soll perspektivisch nicht nur über das deutsche Kernnetz, sondern auch über die Anbindung im Süden nach Frankreich und im Norden über Luxemburg an die ZARA-Häfen in Benelux erfolgen. Um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit weiter auszubauen, steht das Saarland im engen Austausch mit relevanten Akteuren wie NaTran („mosaHYc“), GazelEnergie („Emil’Hy“), Verso Energy („CarlHYng“) und H2V („H2V Thionville“) sowie politischen Entscheidungsträgern in Frankreich und Luxemburg. Im Bereich Wasserstoff kommt der Großregion und Frankreich eine Schlüsselrolle zu. Ein wichtiges Vorhaben ist u.a. die Anbindung des Saarlandes an „HyFEN“, das perspektivisch Wasserstoff aus Portugal und Spanien über Frankreich ins deutsche H2-Kernnetz transportieren soll.
Ansiedlungen
Das Saarland will sich als Startup-Standort in der Großregion stärker positionieren und grenzüberschreitende Start-ups besser miteinander vernetzen. Mit dem Trafo-Beteiligungsfonds hat die Landesregierung ein leistungsstarkes Finanzierungsinstrument aufgelegt, um saarländische Startups beim Wachstum zu begleiten. Der Umsetzungszeitraum ist von 2022 bis 2027 vorgesehen.
Forschung
Die Landesregierung setzt sich in Berlin für eine gezielte Förderung von deutsch-französischen und großregionalen Forschungsnetzwerken im Hochschul- oder außeruniversitären Bereich als nationale Leuchttürme ein. Den Ausbau der universitären und außeruniversitären Exzellenzcluster mit Frankreich und Luxemburg will sie gezielt vorantreiben. Die Attraktivität der saarländischen Hochschulen für internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler spiegelt sich insbesondere in dem im Bundesländervergleich höchsten Anteil an ausländischem Wissenschaftspersonal wider.
Künstliche Intelligenz
Das Ziel ist die verstärkte Einbindung des Saarlandes als Kernpartner im zentral-europäischen KI-Cluster, das sich zu einem Zentrum von KI-basierten Innovationen für ganz Europa entwickeln soll.
Solidarisches Europa
Gemeinsam mit der EU wird die Landesregierung im Rahmen des Europäischen Sozialfonds (ESF) und des ESF+-Strukturfonds die wesentlichen Grundlagen für ein gerechtes, faires und solidarisches Saarland im Zeichen des tiefgreifenden Strukturwandels legen. Dabei wird das Saarland die betrieblichen Transformationsprozesse begleiten und einen substantiellen Beitrag zur zukünftigen Sicherung des Fachkräftebedarfs leisten. Ein zentrales Ziel ist es, die Europäische Kommission bei der Einrichtung eines EU-Talentpools zu unterstützen, um die Anwerbung von Arbeitsuchenden aus Nicht-EU-Ländern für Mangelberufe EU-weit zu vereinfachen.
Polizeiliche Zusammenarbeit und Feuerwehr
Das Saarland setzt sich für ein grenzüberschreitendes Fortbildungs- und Kompetenzzentrum der Sicherheitsbehörden aus Deutschland, Frankreich, Belgien und Luxemburg in Saarbrücken ein.
Nah- und Fernverkehr
Ein Anliegen der Landesregierung ist die Förderung der transeuropäischen Anbindung. Das Saarland will gegenüber dem Bund für die Einhaltung des Vertrages von La Rochelle werben und die Weiterentwicklung einer Zugverbindung Paris-Berlin über Saarbrücken vorantreiben. Dabei macht die Landesregierung deutlich, dass eine solche Anbindung auch über Bundesmittel unterstützt und realisiert werden muss, um eine nachhaltige und zukunftsfähige Verkehrsinfrastruktur im Saarland und in Europa zu gewährleisten. Zu den konkreten Maßnahmen gehört die Vergabe der Machbarkeitsstudie für eine Schienendirektverbindung Luxemburg – Saarbrücken – Mannheim sowie das aktive Lobbying für eine zusätzliche Direktverbindung Paris – Berlin über Saarbrücken, das als Daueraufgabe fortgeführt wird.
Ein europäisches Selbstverständnis
Das Europa-Leitbild ergänzt die Frankreichstrategie des Saarlandes, den Luxemburg-Plan sowie das Engagement in der Großregion. Entstanden ist es im Frühjahr 2024 im Austausch mit über 180 Beteiligten aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Der Ministerrat hat das Leitbild am 7. Mai 2024 verabschiedet. Es formuliert 14 langfristige Ziele:
- Das Saarland als europäische Modellregion stärken
- Das Saarland wird zum zentralen europäischen Industriestandort
- Das Saarland als europäische Drehscheibe für grüne Energie und Wasserstoff
- Das Saarland setzt auf den Mittelstand
- Das Saarland als Leuchtturm für europäische Forschung und Innovation
- Das Saarland für ein soziales Europa
- Das Saarland steht ein für Klimaschutz und nachhaltige Landbewirtschaftung
- Das Saarland als Teil des europäischen Raumes der Freiheit und der Sicherheit und des Rechts
- Das Saarland besser transeuropäisch anbinden
- Das Saarland als Reallabor für eine europäische Gesundheitspolitik
- Das Saarland lebt Austausch und Begegnung
- Das Saarland macht Bildung und Kultur europäisch
- Das Saarland schafft eine europafähige Verwaltung
- Das Saarland wirbt für die Ansiedlung einer EU-Einrichtung
Die Broschüre zum Europa-Leitbild des Saarlandes steht u.a. zum Download bereit.
Publikationen Europa-Leitbild des Saarlandes