In Friedrichsthal sorgt eine Äußerung des SPD-Fraktionsvorsitzenden Jörn Walter für Aufsehen. Während der letzten Stadtratssitzung des Jahres lobte Walter das Verhalten der AfD im Rat und signalisierte Offenheit für weitere Zusammenarbeit mit der rechtsextremen Partei. Dieses Vorgehen wird von den Friedrichsthaler Bündnisgrünen mit großer Sorge betrachtet.
Die traditionelle Jahresabschlusssitzung, bei der Bürgermeister und Fraktionsvorsitzende üblicherweise die Ereignisse des Jahres Revue passieren lassen, nahm eine unerwartete Wendung, als Walter die Verhaltensweisen der anderen Fraktionen bewertete. Während er die Kooperationsbereitschaft der CDU und das Verhalten zweier ehemaliger FDP-Mitglieder lobte, fielen seine Kommentare zu den Bündnisgrünen ironisch aus.
Besonders beunruhigend ist Walters Haltung gegenüber der AfD. Er betonte seine Bereitschaft zur künftigen Zusammenarbeit mit einer Fraktion, deren Mitglieder in der lokalen Politik zwar meist moderat auftreten, sich jedoch auch bei Veranstaltungen mit verfassungsfeindlichen Parolen zeigen.
Horst-Henning Jank, Fraktionsvorsitzender der Bündnisgrünen, sieht in diesen Entwicklungen einen gefährlichen Dammbruch. Die politische Kultur in Friedrichsthal werde durch das Schüren einfacher Instinkte untergraben. Jank verweist auf die Kampagne gegen die Unterbringung ukrainischer Flüchtlinge und die inszenierte Feindseligkeit gegen seine Fraktion im Stadtrat. Er warnt eindringlich vor den Folgen einer mangelnden Abgrenzung zu rechtsextremen Positionen.
Das Geschehen in Friedrichsthal ist ein Beispiel dafür, wie schnell politische Grenzen verschwimmen können und Extremismus an Einfluss gewinnen kann. Die Bündnisgrünen appellieren an alle demokratischen Kräfte, sich klar von extremistischen Positionen zu distanzieren und die politische Kultur zu schützen.
Hier die Pressemeldung der Grünen aus Friedrichsthal im Originalwortlaut:
Friedrichsthaler Grüne sehen Dämme gegen Rechtsextreme brechen
Mit einer Mischung aus Erstaunen und Entsetzen nehmen die Friedrichsthaler
Bündnisgrünen die jüngsten Äußerungen des SPD-Fraktionsvorsitzenden Jörn
Walter zum Verhältnis zur AfD auf. Walter hatte – als Sprecher der rot-roten
Minderheitskoalition im Stadtrat – in der jüngsten Sitzung am 20.12. das
bisherige Verhalten der AfD im Rat ausdrücklich gelobt und seine
Bereitwilligkeit zur weiteren Zusammenarbeit mit den Rechtsextremen betont.
Zumindest für ihn ist damit auf kommunaler Ebene die Abgrenzung seiner Partei
von der AfD offenbar gegenstandslos. Die Bündnisgrünen sehen darin eine
gefährliche Entwicklung.
Traditionell ziehen in der letzten Stadtratssitzung des Jahres der Bürgermeister
und die Fraktionsvorsitzenden ein Resümee der Geschehnisse des vergangenen
Jahres: normalerweise eine Angelegenheit der politischen Etikette. In diesem
Jahr fühlte sich der SPD-Fraktionsvorsitzende indes aus unerfindlichen Gründen
bemü.igt und befähigt, das Verhalten der anderen Fraktionen zu benoten.
Begrü.en wollte Walter zunächst die – aus seiner Sicht verbesserte –
Bereitschaft der CDU zur Kooperation mit seiner Minderheitskoalition. Respekt
zollte er auch den beiden ehemaligen Mitgliedern der FDP-Fraktion für deren
Austritte aus der Partei – deren Beweggründe aber nach wie vor im Dunkeln
liegen. Die beiden hätten „klare Kante“ gezeigt, meinte Walter – warum auch
immer. Nicht ganz so gut weg kamen bei Walter die Bündnisgrünen – zu denen
ihm trotz Nachdenken nichts eingefallen sei: eine vermutlich ironisch gemeinte
Bemerkung, die denn auch pflichtschuldig hämisches Gelächter bei Mitgliedern
der Koalition auslöste.
Der Schwerpunkt von Walters Ausführungen betraf indes das Verhältnis zur
AfD. Hier betonte er ohne Not und über jedes nachvollziehbare Maß hinaus
seine Bereitschaft zur künftigen Zusammenarbeit mit der AfD: einer Fraktion,
die sich zwar zumindest im Stadtrat durchaus – meist – moderat gibt, deren
Mitglieder aber etwa auf Versammlungen der berüchtigten Spaziergänger und
Trommler permanent präsent sind, bei denen offen und bedrohlich
verfassungsfeindliche Parolen verbreitet werden. Die jetzige Regierung, hieß es
dort etwa auf Transparenten, sei die schlechteste, díe Deutschland (!) je gehabt
habe – und das schließt logisch zwingend die Jahre zwischen 1933 und 1945
mit ein.
Der Fraktionsvorsitzende der Bündnisgrünen, Horst-Henning Jank, bewertet
das Geschehene als Dammbruch: „Wir erleben in Friedrichsthal, wie politische
Kultur durch das bloße Bedienen dumpfer Instinkte verdrängt wird. Das hat
sich schon in der gezielten Kampagne gegen die Unterbringung von
ukrainischen Flüchtlingen in der Helenenhalle gezeigt – und in dem
Spießrutenlauf, der für unsere Fraktion im Stadtrat letztens – zwar
dilettantisch, aber ganz bewusst – inszeniert worden ist. Die
Schreckensmeldungen über die Zustände in der Halle haben sich indes als
maßlos übertrieben erwiesen – was jüngst eben mal nonchalant am Rande
eingeräumt wurde.
Wir erleben gerade, wie die Dämme gegenüber den Rechtsextremen brechen
und wie allenthalben Affinität zu deren Positionen sichtbar wird – nicht nur bei
Vertretern der rot-roten Koalition. Wir warnen eindringlich davor, auf diese Art
und Weise die Extremisten hoffähig zu machen. Wohin mangelnde Abgrenzung
von ihnen führt, hat sich jüngst erst wieder in den Niederlanden gezeigt.“