Die Weiterentwicklung des Nahverkehrs im Saarland war am Freitag, 22. März, Thema einer Bürgerdiskussion im VHS-Zentrum am Saarbrücker Schloss. In einer öffentlichen Veranstaltung präsentierte das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr die ersten Ergebnisse und Vorschläge des Verkehrsentwicklungsplans ÖPNV.
Zunächst wurden die Maßnahmenvorschläge zu den Themenfeldern Barrierefreiheit, Digitalisierung, Ländlicher Raum und Tarifsystem vorgestellt, erläutert und diskutiert. Im Anschluss daran nutzten rund 130 interessierte Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, die Diskussion an vier Themenständen mit den Expertinnen und Experten fortzusetzen. Hierbei konnten alle Teilnehmenden nicht nur Fragen stellen, sondern vor allem auch ihre Ideen und Anregungen zu den verschiedenen Themen einbringen.
Verkehrsstaatssekretär Jürgen Barke freute sich über das große Interesse an der Veranstaltung: „Es ist ein tolles Signal, dass sich so viele Saarländerinnen und Saarländer an der Diskussion beteiligt haben. Wir wollen mehr Menschen für den ÖPNV gewinnen und so eine nachhaltige und umweltschonende Mobilität im Saarland erreichen. Es ist gut und wichtig, dass so viele Bürgerinnen und Bürger ihre Ideen und Wünsche in den Verkehrsentwicklungsplan einbringen.“
Mit den Möglichkeiten der Digitalisierung sollen den Fahrgästen zukünftig Fahrplanauskünfte schneller zur Verfügung gestellt werden. So könnten etwa Fahrzeuge im Bus- und Bahnnetz kontinuierlich Echtzeitdaten senden und Fahrgäste über Verkehrsbehinderungen oder Verspätungen informieren. In Zukunft soll auch die Nutzung von Bus und Bahn ohne Kenntnisse des Tarifsystems möglich sein. Hier könnten beispielsweise Apps als Mobilitätsbegleiter eingesetzt werden, die nach Abschluss jeder Fahrt mit Bus und Bahn automatisch den Tarif ermitteln. Zudem könnten alle Fahrten innerhalb eines bestimmten Zeitraums (etwa eines Monats) zusammengefasst werden, um den günstigsten Preis automatisch abrechnen zu können. Der Aufbau einer Managementplattform bietet neue Möglichkeiten, die Anbindung der ländlichen Räume zu verbessern. Fahrgäste könnten in Zukunft via Internet und App, aber auch telefonisch Fahrten bei Unternehmen für Anruf-Sammel-Taxis bestellen. Diese würden dann automatisch gebucht und an die Vertragspartner vor Ort weitergeleitet werden. So könnten Nachfragen gebündelt und Wartezeiten zwischen Fahrtanmeldung und Durchführung verringert werden. In einem nächsten Schritt sollen hierfür Pilotregionen eingerichtet werden.
Des Weiteren sollen Bürgerbus-Vereine unterstützt werden, um die Daseinsvorsorge im ländlichen Raum zu verbessern. Die Angebote sollen an die spezielle Ausgangslage der jeweiligen Kommunen angepasst sein. Die Managementplattform könnte zudem die Kommunikation und den Austausch zwischen Bürgerbusvereinen vereinfachen. Das Förderprogramm 2019 sieht Modellprojekte für Bürgerbusse mit einem Budget von insgesamt 50.000 Euro vor. Das Förderbudget für 2020 umfasst hierfür 200.000 Euro.
Damit Bus- und Bahnangebote von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen möglichst einfach genutzt werden können, soll eine Anpassung der Bahnsteighöhe an die eingesetzten Fahrzeuge vorgenommen werden. Zusätzlich könnten Menschen mit Mobilitätseinschränkungen bei der Konzeption neuer Fahrzeuge für den Bus- und Bahnbetrieb involviert werden. Daneben soll die Fahrplanauskunft zukünftig unter anderem auch anzeigen, ob eine Haltestelle, bzw. ein Bahnhof barrierefrei gestaltet ist. Diese Datenerfassung müsste länderübergreifend organisiert sein.
Die Vorschläge zum Tarifsystem stellte der vom Verkehrsministerium beauftragte Gutachter Gerhard Probst vor. So sollen zum Beispiel Flatrate-Angebote die komplizierte Wabenstruktur weitgehend irrelevant machen und günstigere Tarife möglich machen. Der Gutachter schlägt ein saarlandweites Schüler-Ticket für 49 Euro im Monat vor. Hinzukommen könnte ein Geschwisterrabatt, der für Familien mit mehreren Kindern eine umso größere finanzielle Entlastung bringen würde. Das Gutachten schlägt außerdem ein Azubi-Ticket vor, das genauso landesweit einsetzbar ist wie das Schülerticket. Wenn hier viele Arbeitgeber zu einem Zuschuss bereit wären, könnte der Preis sogar bis auf 29 Euro monatlich sinken. Ein neues Angebot wäre die Saarland-Flat für beliebig viele Fahrten ab neun Uhr für 39 Euro monatlich. Dies könnte ein sehr günstiges Angebot für Seniorinnen und Senioren sein, aber auch für Menschen mit flexiblen Arbeitszeiten und andere, die nicht auf die morgendliche Rush Hour angewiesen sind. Auch schlägt das Gutachten ein vergünstigtes Sozialticket für 27 Euro vor.
Die bestehenden Konzepte zur Neuaufstellung des ÖPNV werden mit den Anregungen und Kritikpunkten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Bürgerdialogs weiterentwickelt. Parallel dazu werden durch den Gutachter in enger Abstimmung mit dem Beirat derzeit Maßnahmenvorschläge für alle anderen Handlungsfelder des VEP ÖPNV entwickelt und bewertet (z.B. Liniennetze und Haltestellen-Standards). Diese münden in ein weiteres Maßnahmenkonzept, welches ebenfalls in einer öffentlichen Veranstaltung vorgestellt und diskutiert wird.
Der Entwurf des VEP ÖPNV soll im Herbst 2019 vorliegen und nach Beschluss im Ministerrat in die offizielle Beteiligung gemäß ÖPNV-Gesetz gehen (Bürgerbeteiligung, Beteiligung der Verkehrsunternehmen, Gewerkschaften und aller anderen wichtigen Verbände und Institutionen).