Der Saarländische Flüchtlingsrat hat sich kritisch zu den asylpolitischen Vereinbarungen im neuen Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD geäußert. Insbesondere die Zustimmung der SPD-Basis stößt auf deutliche Ablehnung. Elke Klein, Vorstandsmitglied des Flüchtlingsrates, sieht darin eine Verschiebung hin zu restriktiveren Haltungen in der Flüchtlingspolitik: „Beim Thema Asyl geht der Koalitionsvertrag von Union und SPD in vielen Punkten den Weg der Rechtspopulisten“, erklärte sie. „Die jahrelange Hetze der AfD zeigt ihre Wirkung. Mit der mehrheitlichen Zustimmung der SPD-Basis zum Koalitionsvertrag ist diese bereit, eine Politik der Abschottung und der Abschreckung gegenüber Geflüchteten mitzutragen.“
Kritik wird unter anderem an der im Vertrag festgehaltenen Beendigung freiwilliger Aufnahmeprogramme geübt. Laut Flüchtlingsrat bedeutet dies faktisch das Ende legaler Fluchtwege nach Deutschland. Betroffen davon seien beispielsweise rund 2.600 besonders gefährdete Menschen aus Afghanistan – darunter ehemalige Ortskräfte, Journalist:innen und Menschenrechtsaktivist:innen – die bereits eine rechtsverbindliche Aufnahmezusage aus Deutschland erhalten hätten. Ebenso werde durch die geplante Aussetzung des Familiennachzugs ein weiterer regulärer Weg nach Deutschland verschlossen, obwohl laut Klein „Grundgesetz und europäische Menschenrechtskonvention das Recht auf Familie beinhalten“.
Darüber hinaus kündigt der Koalitionsvertrag eine sogenannte „Rückführungsoffensive“ an, die aus Sicht des Flüchtlingsrats tiefgreifende Folgen für Geflüchtete mit sich bringen könnte. Unter anderem sollen Fluggesellschaften zur Mitwirkung bei Abschiebungen verpflichtet werden. Auch die Zuständigkeit für Abschiebehaft soll neu geregelt werden: Künftig soll nicht mehr die Ausländerbehörde, sondern die Bundespolizei vorübergehend Abschiebehaft und Ausreisegewahrsam beantragen können. Zugleich sieht der Vertrag vor, das Recht auf anwaltliche Unterstützung in Abschiebehaft einzuschränken.
Besondere Aufmerksamkeit erhält die Passage, in der eine Rückführung auch nach Afghanistan und Syrien angekündigt wird – „beginnend mit Straftätern und Gefährdern“. Aus Sicht des Flüchtlingsrates bleibt diese Formulierung nicht ohne Folgen. „Die Aussage, dass zuerst Straftäter und Gefährder abgeschoben werden sollen, bedeutet zugleich, dass die neue Regierung über diese Personengruppen hinaus nach Afghanistan und Syrien abschieben will. Das sorgt für Verunsicherung in den syrischen und afghanischen Communitys, gerade bei den Menschen, die sich integriert und in Deutschland etwas aufgebaut haben“, so Klein weiter. „Dass Union und SPD dabei mit Straftätern und Gefährdern beginnen wollen, dient vor allem der Rechtfertigung in der Öffentlichkeit. Denn alle wissen, dass Afghanistan und Syrien nach wie vor unsicher und gefährlich sind und Betroffenen unter Umständen Verfolgung und Folter drohen.“
Insgesamt lehnt der Saarländische Flüchtlingsrat die geplante Neuausrichtung der Abschiebepolitik ab. Man sehe darin keine Lösung, sondern eine Maßnahme, die aus Sicht der Organisation Menschenrechte gefährde und gesellschaftliche Integration untergrabe. „Abschiebungen sind traumatisierend, zerstören Existenzen und reißen Menschen aus ihren Lebenszusammenhängen“, heißt es in der Stellungnahme. Gelder, die aktuell in Abschiebeverfahren flössen – etwa in Verwaltung, Polizei oder Rückführungsflüge – sollten stattdessen für Integrationsmaßnahmen genutzt werden.
Elke Klein fasst abschließend zusammen: „Die Forderung nach mehr Abschiebungen ignoriert die existenziellen Gründe, warum Menschen fliehen mussten. Kein Mensch flieht freiwillig. Und jeder einzelne Mensch, der hierher geflohen ist, ist ein Verweis auf die krisenhafte Entwicklung der Welt und die globale Zerstörung von Lebensgrundlagen. Keine Abschiebung wird etwas an den Fluchtursachen ändern.“