Die kirchlichen Arbeitgeber in Deutschland sehen sich mit einer zunehmend kritischen Betrachtung ihres Sonderstatus im Arbeitsrecht konfrontiert. Dr. Till Müller-Heidelberg, Jurist und leidenschaftlicher Verfechter von Grundrechten und Demokratie, hat in einem Vortrag die Praktiken der beiden größten christlichen Kirchen in Deutschland unter die Lupe genommen. Mit knapp zwei Millionen Beschäftigten stehen die kirchlichen Institutionen nach dem Staat als zweitgrößter Arbeitgeber in der Kritik, ein Arbeitsrecht abseits des üblichen Rahmens zu praktizieren.
Kontroversen rund um das Selbstbestimmungsrecht
Die Kirchen, so Müller-Heidelberg, nutzen ihr Selbstbestimmungsrecht, um Tarifverträge zu umgehen, Streiks auszuschließen und sich außerhalb des Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsrechts zu positionieren. Diese Praxis steht im Gegensatz zum Artikel 3 des Grundgesetzes sowie zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, das Diskriminierung aufgrund von Glauben, Geschlecht oder sexueller Identität verbietet.
Kündigung bei Wiederheirat und Schwangerschaftsabbruch
Besonders brisant sind die Beispiele, die Dr. Müller-Heidelberg anführt: So kann bei der katholischen Kirche die Wiederheirat einer geschiedenen Person zur Kündigung führen, Ärzte dürfen nicht für Schwangerschaftsabbrüche eintreten, und gleichgeschlechtlich veranlagte Personen sind von der Einstellung ausgeschlossen oder werden gekündigt.
Europäischer Gerichtshof setzt Grenzen
Die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2018 fordern eine Einschränkung dieses kirchlichen Sonderarbeitsrechts. Während die evangelische Kirche hier Gegenwehr zeigt und diese Beschränkungen vor dem Bundesverfassungsgericht bekämpft, zeichnet sich ein Wandel ab, der die Kirchen möglicherweise dazu zwingen wird, ihr Arbeitsrecht an allgemeingültige Standards anzupassen.
Der Referent
Dr. Till Müller-Heidelberg, geboren 1944, ist nicht nur ein profilierter Jurist mit Schwerpunkten in Europa-, Steuer-, Wirtschafts- und Arbeitsrecht, sondern auch ein engagierter Friedensaktivist und Mitglied in bedeutenden Vereinigungen wie der Humanistischen Union. Seine Expertise und sein langjähriges Engagement für die SPD im Rat der Stadt Bingen verleihen seinen Worten Gewicht.
Dabei sein
Stiftung Demokratie Saarland, Europaallee 18, 66113 Saarbrücken
Mittwoch, 15. November 2023, 18:00 Uhr
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