Ein Beitrag aus dem aktuellen saarnews-Magazin INGO
Als Schuljunge verbrachte der 88-jährige Rudolf K. die großen Ferien fast immer bei seinen Großeltern, die in St. Ingbert im „Oord“ wohnten. Zusammen mit seinen Eltern wanderte er 1954 nach Kanada aus, wo sein Vater eine Anstellung im Betrieb eines Verwandten fand.
Vor wenigen Tagen kehrte er nach 64 Jahren zu einer Familienfeier in seine Geburtsstadt Saarbrücken zurück und machte bei dieser Gelegenheit auch einen Abstecher nach St. Ingbert, um Kindheitserinnerungen an die schönen Ferientage bei den Großeltern aufzufrischen.
Als er vor ihrem Haus stand, fing er spontan an zu weinen und das bekam ein Mitarbeiter des Stadtmagazins „INGO“ mit, der zufällig in der Nähe stand und sich wegen der Tränen nach dem Befinden des Mannes erkundigte.
Rudolf K. freute sich über diesen unverhofften Gesprächspartner und schilderte ihm spontan den Grund für seine Traurigkeit.
„Hier habe ich die schönsten Tage meiner Kindheit verlebt in einer Umgebung, die vor Leben nur so strotzte. Und jetzt kommt mir der „Oord“ vor, als ob er ausgestorben wäre. Früher spielten hier auf der Straße die Kinder und jetzt werden nur noch Autos geparkt.“
Rudolf K. kennt den „Oord“ aus einer Zeit als dieser mittelalterliche Kern von St. Ingbert noch eine Art Dorf mitten im Stadtzentrum war. Rudolf K. kann sich an die vielen Handwerker erinnern, die damals im „Oord“ ihre Werkstatt hatten und auch an die Geschäfte, die alles zu bieten hatten, was man damals zum Leben brauchte. Er erinnert sich an eine Malerwerkstatt, eine Schlosserei, zwei Schneidermeister, eine Schirmflickerin, drei Gaststätten, zwei Bäckereien, eine Metzgerei, eine Nähstube, ein Kolonialwarengeschäft, ein Gemüsegeschäft, ein Textilgeschäft, eine Frau die Zwiebeln, Knoblauch und Kräuter verkaufte und ein Friseurgeschäft.

Von diesem reichhaltigen Angebot ist nichts mehr übrig geblieben und auch die Kinder scheinen im „Oord“ ausgestorben zu sein.

Ein bisschen vom früheren Lokalkolorit hat in jüngster Zeit nur eine Gaststätte zurückgebracht, die sich jetzt wieder „Zum Sumpe“ nennt.

„Was habt ihr bloß aus diesem lebendigen Stück St. Ingberter Stadtkultur gemacht“,
wollte Rudolf K. von seinem St. Ingberter Gesprächspartner wissen, der ihm auf diese Frage leider nur antworten konnte, dass diese Art der früheren Stadtkultur wohl auch in St. Ingbert ein Opfer des Fortschrittes wurde.